Art. 292 SchKG    E. Verjährung

Druckversion1Das Anfechtungsrecht verjährt:

  1. nach Ablauf von drei Jahren seit Zustellung des Pfändungsverlustscheins (Art. 285 Abs. 2 Ziff. 1);
  2. nach Ablauf von drei Jahren seit der Konkurseröffnung (Art. 285 Abs. 2 Ziff. 2);
  3. nach Ablauf von drei Jahren seit Bestätigung des Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung.

2Bei der Anerkennung eines ausländischen Konkursdekretes wird die Zeit zwischen dem Anerkennungsantrag und der Publikation nach Artikel 169 IPRG nicht mitberechnet.Inhaltsübersicht

Abs. 1

Natur der Frist

Materiellrechtliche Fristen: Es handelt sich um materiellrechtliche Fristen. Werden diese Fristen nicht gewahrt, so hat das Gericht die Klage abzuweisen. OGer GL OG.2016.000589 E. V.3.2.4.

Gesetzesrevision per 1. Januar 2020

Kommentar 3: Im Rahmen der generellen Revision des gesamten Verjährungsrechts wurden auch die Fristen von Art. 292 SchKG von zwei auf drei Jahre verlängert. Die Revision ist am 1. Januar 2020 in Kraft getreten. Übergansrechtlich ist Art. 49 SchlT ZGB massgebend. Sofern bei Inkrafttreten die altrechtliche zweijährige Frist noch nicht abgelaufen ist, gilt die dreijährige Frist (Abs. 1). Das Inkrafttreten des neuen Rechts lässt den Beginn einer laufenden Verjährung unberührt (Abs. 3).

Ziff. 1

Wahlmöglichkeit des Gläubigers mit einem provisorischen Pfändungsverlustschein: Dem Wortlaut der einschlägigen Art. 285 Abs. 2 Ziff. 1 SchKG und Art. 292 Ziff. 1 SchKG ist keine Einschränkung der Klagebefugnis zu entnehmen, wonach eine Anfechtungsklage zwingend innert zwei Jahren ab Zustellung des provisorischen Pfändungsverlustscheins anzuheben sei und die klagende Partei damit also nicht bis zu zwei Jahre nach Zustellung des definitiven Pfändungsverlustscheins zuwarten dürfe, wenn ihr eine solche Klageerhebung zumutbar sei. Zu berücksichtigen ist ferner, dass dann, wenn erst ein provisorischer Verlustschein vorliegt, noch nicht endgültig klar ist, ob und in welchem Umfang ein Verlust resultieren wird. Es ist sachgerecht, dem Anfechtungskläger die Wahlmöglichkeit zuzugestehen, die Klage entweder bereits nach Vorliegen des provisorischen Pfändungsverlustscheins oder aber (spätestens) innert drei Jahren (der Entscheid spricht von zwei Jahren, da noch das alte Recht galt) nach Erhalt des definitiven Pfändungsverlustscheins anzuheben. OGer GL OG.2016.00058 E. V.3.2.5.

Ziff. 2

Fristenlauf bei Auflösung einer juristischen Person zufolge Organisationsmangel (Art. 731b OR): Der Auflösungsentscheid entspricht funktional einer Konkurseröffnung. BGer 5A_306/2014 E. 3.3.

Kommentar 1: Dies bedeutet, dass für den Lauf der Verjährungsfrist (analog der Konkurseröffnung) der Auflösungsentscheid massgeblich ist. M.E. ist auf die Rechtskraft des Entscheids abzustellen.

Dies gilt auch dann, wenn sich (seit 1. Januar 2021) während laufendem Konkursverfahren zufolge eines Organisationsmangels (Art. 731b Abs. 1bis Ziff. 3 OR) ergibt, dass eine Überschuldung vorliegt und der Konkursrichter (auf Notifikation des Konkursamtes) auch noch formell den Konkurs eröffnet (Art. 731b Abs. 4 OR). Letzteres hat keine Auswirkungen auf das bereits (zufolge Organisationsmangel ausgelöste und) laufenden Konkursverfahren; dieses wird fortgeführt (vgl. Allgemeines Kom. 3). Massgeblich für den Lauf der Verjährungsfrist bleibt der Auflösungsentscheid des Zivilgerichts. 

Bei mehreren aufeinander folgenden Konkurseröffnungen: Wird durch einen neuen Konkursentscheid ein neues Konkursverfahren eröffnet, kann nur der Zeitpunkt der neuerlichen Konkurseröffnung sein, der für die Auslösung der Anfechtungsfrist gemäss Art. 292 Ziff. 2 aSchKG massgeblich ist. BGer 5A_240/2020 E. 3 (in Bezug auf die damalige zweijährige Verwirkungsfrist)

Ziff. 3

Gesetzesänderung: Ziff. 3 wurde per 1. Januar 2014 eingefügt (AS 2013 4111; BBl 2010 6455). Verweis: Zum intertemporalen Recht vgl. unter Allgemeines

Altrechtliche Verwirkunsfrist: Zum Beginn der (bis Ende 1996 geltenden altrechtlichen Verwirkungs-) Frist beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung (d.h. bevor Ziff. 3 eingefügt wurde) vgl. BGE 134 III 273 E. 2 ff. BGer 5A_670/2007 E. 2. BGer 5A_322/2007 E. 3 ff. BGer 5A_321/2007 E. 3 ff. BGer 5A_320/2007 E. 3 ff.

Kommentar 4: Massgeblich ist die Rechtskraft des Bestätigungsentscheides des Nachlassgerichts.

Abs. 2

Gesetzesänderung: Abs. 2 wurde per 1. Januar 2019 eingefügt (AS 2018 3263; BBl 2017 4125). Verweis: Zum intertemporalen Recht vgl. unter Allgemeines

[soweit ersichtlich ergingen zu dieser Bestimmung noch keine Entscheide]

Kommentar 2: Diese Bestimmung setzt nicht voraus, dass in der Schweiz ein Hilfskonkursverfahren (vollständig) abgewickelt wird. Sie findet auch dann Anwendung, wenn nach Anerkennung des ausländischen Insolvenzdekrets auf die Durchführung eines schweizerischen Hilfskonkursverfahrens verzichtet wird (Art. 174a IPRG). Auch in diesem Fall bestehen Anfechtungsansprüche gemäss Art. 285 ff. SchKG. Zum Fristenlauf vgl. Art. 171 Abs. 2 IPRG.