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Art. 285 SchKG    A. Grundsätze

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1Mit der Anfechtung sollen Vermögenswerte der Zwangsvollstreckung zugeführt werden, die ihr durch eine Rechtshandlung nach den Artikeln 286-288 entzogen worden sind.

2Zur Anfechtung sind berechtigt:

  1. jeder Gläubiger, der einen provisorischen oder definitiven Pfändungsverlustschein erhalten hat;
  2. die Konkursverwaltung oder, nach Massgabe der Artikel 260 und 269 Absatz 3, jeder einzelne Konkursgläubiger.

3Nicht anfechtbar sind Rechtshandlungen, die während einer Nachlassstundung stattgefunden haben, sofern sie von einem Nachlassgericht oder von einem Gläubigerausschuss (Art. 295a) genehmigt worden sind.

4Nicht anfechtbar sind ferner andere Verbindlichkeiten, die mit der Zustimmung des Sachwalters während der Stundung eingegangen wurden.

Abs. 1

Einordnung: Die Anfechtungsklage ist nicht ein Institut des materiellen, sondern des Zwangsvollstreckungsrechts. BGE 143 III 167 E. 3.3.4.  BGer 5A_171/2021 E. 4.1  BGer 5A_767/2019 E. 4.1.  KGer VS C1 21 80 E. 16.1  CdJ GE ACJC/946/2023 E. 3.1

Kommentar 1: Der Anfechtungsprozess wird allerdings (aus zivilprozessualer Sicht) als Zivilrechtsstreitigkeit verstanden, indem die Zivilgerichte sachlich zuständig sind (Art. 289 SchKG; vgl. zu Art. 289 SchKG) und Beschwerde in Zivilsachen ans Bundesgericht geführt werden kann (Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG; vgl. zu Art. 289 SchKG)

Zweck: Die Anfechtungsklage bezweckt die Wiederherstellung des schuldnerischen Vermögens, wie es ohne die anfechtbare Handlung vorhanden wäre BGE 132 III 489 E. 3.3., E. 3.4. BGer 5A_233/2022 E. 7.1 bzw. Vermögen, das aus vollstreckungsrechtlicher Sicht unrechtmässig entäussert wurde, in die Zwangsvollstreckung zurückzuführen. BGE 141 III 527 E. 2.2. BGE 136 III 247 E. 2. BGE 135 III 276 E. 5. BGE 134 III 615 E. 2.1. BGE 134 III 273 E. 4.4.1. BGE 134 III 52 E. 1.3.3.  BGer 5A_13/2022 E. 4.1.1  BGer 5A_171/2021 E. 4.1  BGer 5A_13/2018 E. 3.2.1.  CdJ GE ACJC/47/2024 E. 3.1.2  KGer VS C1 21 80 E. 16.1  OGer ZH PS200050 E. 9b KGer GR ZF 04 77 E. 3. – Ob die Verwertung des vom anfechtbaren Rechtsgeschäft betroffenen Vermögenswertes nachfolgend (in der Pfändung oder in der Generalexekution) zu einem Erlös führt, ist für den paulianischen Anfechtungsprozess ohne Bedeutung. BGer 5C.120/2006 E. 5.2.

Geltungsbereich: Der grundsätzliche Zweck der Wiederherstellung des schuldnerischen Vermögens gilt für sämtliche Anfechtungstatbestände. BGer 4A_352/2019 E. 4.5.2.

Abs. 2

Aktivlegitimation bei Abwicklung von Zahlungen für einen Dritten: Was die Aktivlegitimation anbelangt, ist massgebend, um wessen Rechtshandlungen es geht. Bei Zahlungen (welche eine Gruppengesellschaft für eine andere vornimmt) ist massgebend, wem die an einen Dritten erfolgten Zahlungen zuzurechnen sind. Wenn eine Gruppengesellschaft (A) Vertragspartnerin des Zahlungsempfängers ist, und auf ihren (A) Wunsch hin der Zahlungsverkehr unter diesem Vertrag über die Gruppengesellschaft B abgewickelt wird, dann macht das alleine die Zahlungen noch nicht zu Rechtsgeschäften von B. Wenn die Zahlungen von B (an den Gläubiger von A) auf Rechnung von A getätigt wurden, so haben sich die Transaktionen ausschliesslich im Vermögen von A ausgewirkt und sie müssen ihrem Herrschaftsbereich zugeschrieben werden. Damit fehlt es [der Masse von] B an der Aktivlegitimation, um Anfechtungsklage zu führen. BGer 5A_176/2011 E. 3.4.

Verweis: vgl. auch die Ausführungen zum Erfordernis einer anfechtbaren Handlung unter Allgemeines.

Keine Aktivlegitimation Dritter: Ein Dritter, der nicht Gläubiger ist, kann nicht durch eine Anfechtungsklage Vermögenswerte der Zwangsvollstreckung zuführen. BGE 135 III 503 E. 3.5.2.

Ziff. 1

Verlustscheingläubiger: Zur Anfechtungsklage ist jeder Gläubiger berechtigt, der einen provisorischen oder definitiven Pfändungsverlustschein erhalten hat. Das Vorliegen des Verlustscheins ist eine Frage der Aktivlegitimation. BGer 5A_13/2018 E. 3.3.1. (mit Verweis auf BGE 115 III 138 E. 2a) Zur Anfechtungsklage ist auch der Verlustscheingläubiger legitimiert, welcher erst nach der anfechtbaren Handlung Gläubiger geworden ist. KGer VD Jug/2009/29 E. III.a.

Voraussetzung der unzureichenden Befriedigung aus dem Schuldnervermögen: Weil die Klage der Wiederherstellung der Exekutionsrechte der Gläubiger dient, verlangt die gesetzliche Regelung zur Aktivlegitimation die Annahme der unzureichenden Befriedigung aus dem Schuldnervermögen. Dies setzt (ausserhalb des Konkurses) einen provisorischen oder definitiven Pfändungsverlustschein voraus. BGer 5A_13/2018 E. 3.2.1. Die Regelung der Aktivlegitimation macht deutlich, dass der Angriff auf das Drittvermögen erst erlaubt ist, wenn feststeht, dass das Schuldnervermögen zur Befriedigung der Pfändungsgläubiger nicht ausreicht. Die blosse Einleitung einer Betreibung verschafft dem Gläubiger keine Aktivlegitimation. BGer 5A_13/2018 E. 3.2.2. Die dem Schutz des Gläubigers dienende paulianische Anfechtung setzt eine Betreibung im fortgeschrittenen Stadium voraus (Art. 285 Abs. 2 SchKG). OGer ZH PS180232 E. II.4.

Beginn der Legitimation: Der Anfechtungsanspruch entsteht [in der Spezialexekution] mit Ausstellung des Verlustscheins. BGer 5C.219/2006 E. 4.2.

Provisorischer/definitiver Pfändungsverlustschein: Der Gläubiger, welcher erst über einen provisorischen Pfändungsverlustschein verfügt, kann zwar gestützt darauf Anfechtungsklage einleiten. Er muss aber einen definitiven Pfändungsverslustschein vorlegen, bevor ein Urteil ergeht. BGer 5A_13/2018 E. 3.1.1. BGer 5C.94/2001 E. 3b (mit Verweis auf BGE 103 III 97 E. 1). Die Legitimation, die ein provisorischer Verlustschein verleiht, fällt dahin, wenn sich ergibt, dass in der fraglichen Betreibung ein endgültiger Verlustschein nicht mehr ausgestellt werden kann. OGer ZH NE210005 E. IV.2b/cc

Definitiver Pfändungsverlustschein: Eine leere Pfändungsurkunde gilt als definitiver Pfändungsverlustschein (Art. 115 Abs. 1 SchKG) und erfüllt die Voraussetzung der Aktivlegitimation. BGer 5A_13/2018 E. 3.3. Das Ausstellen des Pfändungsverlustscheins verschafft ohne weiteres die Aktivlegitimation. Vom Verlustscheingläubiger kann nicht verlangt werden, dass er eine nach Art. 149 Abs. 3 SchKG „fortgesetzte“ Betreibung, d.h. eine neue selbständige Betreibung vorweist, um Anfechtungsklage erheben zu können. BGer 5A_13/2018 E. 3.4.2.

Bei Nichtigkeit des Zahlungsbefehls: Wenn sich der Schuldner nach vollzogener Pfändung nicht mehr auf die allfällige Nichtigkeit (zufolge fehlerhafter Zustellung des Zahlungsbefehls [in casu wegen Zustellung einzig an den Beistand nach Art. 392 f. ZGB]) des Zahlungsfehls berufen kann, so kann dies im Prozess auch der Anfechtungsbeklagte nicht (mehr). BGer 5C.127/2005 E. 2.2.

Im Zusammenhang mit einem Widerspruchsprozess: In der Spezialexekution kann eine Eigentumsansprache im Widerspruchsprozess damit beseitigt bzw. eine Widerspruchsklage damit begründet werden, dass der Rechtserwerb der paulianischen Anfechtung unterliegt. Voraussetzung dafür ist, dass der Widerspruchskläger über einen Pfändungsverlustschein verfügt. BGer 5A_113/2018 E. 8.2.2. BGer 5A_93/2008 E. 2.1. BGer 5C.94/2001 E. 3b (mit Verweis auf BGE 107 III 118 E. 3) OGer ZH NE210005 E. IV.2b/cc vgl. auch BGer 5A_498/2007 E. 6. Der Gläubiger, welcher erst über einen provisorischen Pfändungsverlustschein verfügt, muss an sich einen definitiven Pfändungsverlustschein vorlegen, bevor das Urteil im Anfechtungsprozess ergeht. BGer 5C.94/2001 E. 3b Zur Rechtslage, wenn die paulianische Anfechtung einredeweise im Widerspruchsprozess vorgebracht wird, vgl. oben.

Provisorischer Pfändungsverlustschein/Notwendigkeit der Schätzung der Pfändungsobjekte: In der Betreibung auf Pfändung ist die in Art. 97 Abs. 1 SchKG vorgeschriebene Schätzung der gepfändeten Gegenstände u.a. deshalb notwendig, damit der Gläubiger gegebenenfalls in die Lage kommt, die Anfechtungsklage zu erheben (Art. 115 Abs. 2 SchKG). BGer 7B.222/2005 E. 2.2.

Fristenlauf beim provisorischen Pfändungsverlustschein: Das Bundesgericht konnte (aus prozessualen Gründen) offenlassen, ob die zweijährige (damalige Verwirkungs-) Frist gemäss Art. 292 SchKG schon abgelaufen war, als der Gläubiger gestützt auf den definitiven Pfändungsverlustschein (Art. 149 SchKG) Klage anhob, da die Frist schon aufgrund der Pfändungsurkunde als provisorischer Verlustschein zu laufen begann. BGer 5A_748/2013 E. 2.2.

Kommentar 6: Der provisorische Pfändungsverlustschein legitimiert zwar bereits zur Anfechtungsklage (Art. 115 Abs. 2, Art. 285 Abs. 2 Ziff. 1 SchKG). Bis zum Abschluss der Pfändung bzw. bis zur Ausstellung eines allfälligen definitiven Pfändungsverlustscheins, ist jedoch ungewiss, ob der Gläubiger überhaupt bzw. in welchem Umfang er allenfalls einen Ausfall erleidet. Aufgrund dessen rechtfertigt es sich nicht, die Verjährungsfrist schon mit Ausstellung des provisorischen Pfändungsverlustscheins beginnen zu lassen bzw. die Verjährungsfrist beginnt von Neuem, wenn der definitive Verlustschein ausgestellt wird. Verweis: zum Lauf der Verjährungsfrist beim provisorischen und nachfolgenden definitiven Pfändungsverlsutschein vgl. zu Art. 292 SchKG

Ende der Legitimation zufolge Zahlung: Der Gläubiger eines Verlustscheins verliert seine Legitimation, Anfechtungsansprüche geltend zu machen, sobald er vollständig für seine Verlustscheinforderung bezahlt ist. BGer 5A_682/2011 E. 7.2. BGer 5A_58/2009 E. 2.1. (Pra 2010 Nr. 115)

Ende der Legitimation zufolge Konkurseröffnung: Ebenso verliert der Pfändungsverlustscheingläbuiger seine Legitimation (vorerst), wenn während hängigem Anfechtungsprozess über den Schuldner der Konkurs eröffnet wird. ZR 2012 Nr. 50 S. 147, 152 PKG 2001 Nr. 5 S. 38 PKG 2000 Nr. 5 Verweis: dazu, dass der hängige Anfechtungsprozess zu sistieren ist vgl. unten und dazu, dass der Pfändungsverlustscheingläubiger die Aktivlegitimation bei Desinteresse der Masse wiedererlangt vgl. zu Art. 291

Einfache Streitgenossenschaft: Wenn mehrere Verlustscheingläubiger gegen denselben Anfechtungsgegner vorgehen, dann agieren sie als einfache Streitgenossen. OGer LU 11 07 153.2 E. 10.2.

Umfang der Rückerstattung bei Klage des Verlustscheingläubigers: vgl. zu Art. 291

Keine Klagemöglichkeit bei einer Arrestprosequierung gestützt auf Art. 52 SchKG: Prosequiert der Arrestgläubiger den Arrest am speziellen Betreibungsort von Art. 52 SchKG, so können nur die arrestierten Gegenstände gepfändet werden (und zur Verwertung gelangen) und es ist alsdann kein Verlustschein i.S.v. Art. 149 SchKG auszustellen; dies wäre in keinem Falle zulässig. Es wäre unangebracht, bei Fehlen einer in das ganze Schuldnervermögen gerichteten Betreibung dem Gläubiger das Recht auf Erhebung einer Anfechtungsklage nach Art. 285 ff. SchKG zuzugestehen. BGer 7B.180/2006 E. 1.3. (mit Verweis auf BGE 90 II 79)

Ziff. 2

Konkursmasse

Bei Konkurseröffnung während hängiger Anfechtungsklage eines Verlustscheingläubigers: Hat zunächst ein Verlustscheingläubiger eine Anfechtungsklage gegen den Dritten eingeleitet und wird in der Folge der Konkurs über den Schuldner eröffnet, so geht die Anfechtungsberechtigung (Prozessführungsbefugnis) auf die Konkursmasse über und die Masse erlangt im Verfahren Parteistellung. OGer LU 11 07 153.2 E. 10.2. PKG 2001 Nr. 5 S. 38 PKG 2000 Nr. 5 Das Haftungssubstrat fällt in die Konkursmasse (Art. 200 SchKG). Die Anfechtungsklage behält aber ihren Bezug zur Betreibung (bzw. zur Klage) des Verlustscheingläubigers. Es dürfte nicht zulässig sein, mehr Haftungssubstrat zur Masse zu ziehen, als zur vollständigen Befriedigung des Verlustscheingläubigers erforderlich ist. Will die Konkursmasse zusätzliches Haftungssubstrat zur Masse ziehen, so dürfte die Erhebung einer auf der Konkurseröffnung beruhenden Klage (einer „originären“ Klage der Masse) erforderlich sein. ZR 2012 Nr. 50 S. 147 ff. Zum Lauf der Verdachtsfristen in diesem Fall vgl. unter Allgemeines

Kommentar 2: Obschon der ZR-Entscheid noch vor der letzten Revision des Anfechtungsrechts erging, kann er auf das geltende Recht übertragen werden, namentlich was die Verjährungs- (früher Verwirkungs-) frist angeht. Dazu, unter welchen Voraussetzungen der Pfändungsgläubiger die von ihm eingeleitete Anfechtungsklage im Konkurs fortsetzen kann, vgl. zu Allgemeines Kom. 11

Nachlassmasse beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung

Aktivlegitimation: Beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung stehen die Anfechtungsansprüche der Nachlassmasse zu. Diese ist berechtigt, die Ansprüche geltend zu machen, wobei zunächst die Liquidatoren Anfechtungsklage erheben können (und, wenn die Nachlassmasse auf die Geltendmachung verzichtet hat, können Abtretungsgläubiger klagen). BGE 134 III 273 E. 4.4.2., E. 4.6.2. BGer 5A_321/2007 E. 4.4.2., E. 4.6.2. BGer 5A_320/2007 E. 4.4.2., E. 4.6.2. HGer ZH HG110132 E. 4.2.

Abtretungsgläubiger

Beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung: Wie im Konkurs, so sind auch beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung die Gläubiger zur Anfechtungsklage erst legitimiert, nachdem die Nachlassmasse auf die Geltendmachung verzichtet hat. BGE 134 III 273 E. 4.4.2., E. 4.6.2. BGer 5A_320/2007 E. 4.4.2. BGer 5A_321/2007 E. 4.4.2.

Kognition des Zivilgerichts in Bezug auf die Abtretungsverfügung: Es ist nicht Sache des Zivilrichters, sondern der SchKG-Aufsichtsbehörden, die Abtretungsverfügung auf ihre Rechtsmässigkeit zu prüfen. KGer BL (7.11.2017) 420 17 274 E. 1.2. AppGer BS ZB.2018.36 E. 2.3.1., E. 3.3. Im Verfahren, das der Abtretungsgläubiger anstrengt, hat das Zivilgericht bloss festzustellen, dass sich die Legitimation des Klägers aus einer solchen Verfügung ergibt. BGE 132 III 342 E. 2.2.1. BGer 4C.165/2000 E. 4b (mit Verweis auf BGE 111 II 81 E. 3) – Ausnahmsweise kann das Zivilgericht in Fällen der Nichtigkeit (Art. 22 SchKG) die Rechtmässigkeit der Abtretungsverfügung überprüfen BGE 134 III 75 E. 2.4. BGer 4C.165/2000 E. 4b (mit Verweis auf BGE 111 II 81) AppGer BS ZB.2018.36 E. 2.3.1. bzw. die Nichtigkeit ist im Abtretungsprozess von Amtes wegen zu beachten. BGE 136 III 534 E. 4.1.

Keine Einwände gegen die Kollokation des Abtretungsgläubigers: Der Prozessgegner ist im Prozess mit Einwänden gegen den rechtskräftigen Kollokationsplan bzw. gegen die Kollokation der Abtretungsgläubiger nicht zu hören. BGE 132 III 342 E. 2.2.1. (mit Verweis auf BGE 111 II 81 E. 3b) RBOG TG 2005 Nr. 27 E. 2. – Der Anfechtungsgegner, welcher nicht gleichzeitig Gläubiger ist, kann auch weder Kollokationsklage gegen den Gläubiger führen, welcher die Abtretung verlangt. OGer ZH PS180017 E. 3.4. noch ist er legitimiert, SchKG-Beschwerde gegen die Kollokationsverfügung in Bezug auf die Abtretungsgläubiger zu führen. BGer 5A_304/2018 E. 3.2.2.

Auslegung und Umfang der Abtretungsverfügung: Eine Abtretungsverfügung des Konkursamtes gemäss Art. 260 SchKG ist im Zusammenhang mit der gerichtlichen Überprüfung der Prozessführungsbefugnis sinngemäss nach den Regeln über die Auslegung von Willenserklärungen, insbesondere gemäss Art. 18 OR, auszulegen (mit Verweis auf BGE 107 III 91 E. 1 und BGE 92 III 57 E. 1). Die gemäss Art. 260 SchKG abgetretenen Ansprüche beruhen in der Regel auf einer unklaren oder zumindest zweifelhaften Rechts(grund)lage und sind strittig, was eine Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Abtretung ist (mit Verweis auf BGE 108 III 21 E. 1). In Anbetracht dieser faktischen und rechtlichen Situation ist der Umfang der Abtretung in einem weiten Sinn zu verstehen. Es ist all dasjenige darunter zu subsumieren, was direkt oder sinngemäss dem der Masse möglicherweise zustehenden Aktivum als Vermögenswert entspricht. Bei einer Forderung (wie einem Anfechtungsanspruch) ist auf den massgeblichen Lebenssachverhalt abzustellen, der als Grundlage des Anspruchs dienen soll. BGer 4A_381/2012 E. 2.3. (Anspruch war von der Abtretungsverfügung nicht erfasst) BGer 4C.165/2000 E. 4a, E. 4b (Anspruch war von der Abtretungsverfügung erfasst).

Keine Abtretung an den Anfechtungsgegner: Ein Anfechtungsanspruch der Masse kann nicht an den Anfechtungsgegner (der gleichzeitig Gläubiger ist) nach Art. 260 SchKG abgetreten werden. Eine solche Abtretung wäre nichtig. BGer 7B.18/2006 E. 3.1. (mit Verweis auf BGE 113 III 135 E. 3a.) KGer BL 420 17 274 E. 2.1. KGer BL 420 18 218 E. 6.

Keine Abtretung an dem Schuldner nahestehende Personen: Ein Anspruch kann nicht an Personen abgetreten werden, welche dem Schuldner nahestehend sind. Eine solche Abtretung wäre nichtig. HGer ZH HG120129 E. 5.4. RBOG TG 2011 Nr. 19 E. 2a KGer BL (4.9.2018) 420 18 218 E. 6.

Abtretungsgläubiger/kein Wegfall der Legitimation trotz vollständiger Deckung: Bei vollständiger Deckung des Abtretungsgläubigers geht ein Überschuss an die Masse (Art. 260 Abs. 2 Satz 2 SchKG). Aufgrund dessen verliert der Abtretungsgläubiger, obschon er kein eigenes Interesse mehr hat, seine Aktivlegitimation im Prozess nicht. Hinsichtlich der internen Verteilung im Konkurs kommt dem Anfechtungsbeklagten kein Interesse zu. BGE 139 III 384 E. 2.2. BGer 5A_483/2012 E. 5.3.3. BGer 5A_682/2011 E. 7.2. (mit Verweis auf BGE 113 III 20)

Grundsatz: keine Beschwerdelegitimation des Anfechtungsgegners gegen die Abtretungsverfügung: Der Anfechtungsgegner kann grundsätzlich keine SchKG Beschwerde (Art. 17 SchKG) führen gegen die Abtretungs- oder andere Verfügungen im Zusammenhang mit der Abtretung (wie den Kreis der Abtretungsgläubiger, die Bestätigung oder den Widerruf der Abtretungsverfügung, die Verlängerung der Frist, um den Anspruch geltend zu machen, oder die Modalitäten der Abtretungsverfügung). BGE 139 III 504 E. 3.3. BGE 139 III 384 E. 2.2.2. (Pra 2014 Nr. 18) BGer 5A_483/2012 E. 5.3.3. BGer 4C.165/2000 E. 4b BJM 2013 21 f. – Der Anfechtungsgegner, der nicht selbst Gläubiger ist, kann seine Einwendungen, namentlich solche gegen Bestand und Umfang der gegen ihn gerichteten Forderung, im Anfechtungsprozess vorbringen. BGE 139 III 384 E. 2.2.2. (Pra 2014 Nr. 18) BGer 7B.153/2003 E. 3.1. BJM 2013 21 f.

Ausnahme/Beschwerdelegitimation des Anfechtungsgegners: Der Anfechtungsgegner (der nicht selbst Gläubiger ist) ist dagegen direkt betroffen und deshalb zur SchKG-Beschwerde (Art. 17 SchKG) in Bezug auf Verfügungen des Konkursamtes im Zusammenhang mit der Abtretung legitimiert, wenn (i) diese den Anfechtungsgegner dem Risiko aussetzt, für denselben Anspruch mehrmals belangt zu werden, (ii) die Abtretungsverfügung nicht auf einem Verzichtsbeschluss der Masse beruht, (iii) nicht allen Gläubigern die Möglichkeit eingeräumt wurde, Abtretungsbegehren zu stellen (mit Verweis auf BGE 79 III 6 E. 1), (iv) die Verfügung unter Umständen ausgestellt worden ist, die es Gläubigern erlauben würde, nachträglich Abtretungsbegehren zu stellen BGE 139 III 504 E. 3.3. BGer 5A_483/2012 E. 5.3.3. (mit Verweis auf BGE 53 III 71) oder (v) bei einem Nachkonkurs (Art. 269 SchKG), wenn sich klarerweise aus den Akten ergibt, dass die Abtretung offensichtlich zu Unrecht erfolgte (weil es sich nicht um eine i.S.v. Art. 269 SchKG neu entdeckte Forderung handelt). BGer 7B.153/2003 E. 3.1.

Ausnahme: Beschwerdelegitimation des Gemeinschuldners im Nachkonkurs (Art. 269 SchKG): Wurde die Abtretungsverfügung im Nachkonkurs ausgestellt, ist der Gemeinschuldner legitimiert, mit SchKG-Beschwerde zu rügen, dass der nach Art. 260 SchKG abgetretene Vermögenswert nicht zur Konkursmasse gehört bzw. (im Nachkonkurs) nicht (i.S.v. Art. 269 SchKG) neu entdeckt sei, sondern er selber daran nach Konkursschluss berechtigt sei (in casu ging es nicht um einen Anfechtungsanspruch). BGer 5A_953/2016 E. 3.2.2.

Kommentar 3: Bei Anfechtungsansprüchen ist dies ausgeschlossen. Diese können nie dem Gemeinschuldner zustehen (vgl. Art. 285 Abs. 2 SchKG); dieser ist nicht aktivlegitimiert, weshalb er auch keine SchKG-Beschwerde führen kann. Der zitierte Fall betraf denn auch andere Ansprüche als paulianische Anfechtungsasnprüche.

Mehrere AbtretungsgläubigerVerweis: vgl. dazu im Einzelnen zu Art. 260 SchKG 

Abs. 3

Gesetzesänderung: Abs. 3 wurde per 1. Januar 2014 eingefügt (AS 2013 4111; BBl 2010 6455). Verweis: Zum intertemporalen Recht vgl. unter Allgemeines

Anlass zur Gesetzesänderung: Anlass für die Einfügung von Art. 285 Abs. 3 SchKG war die unsichere Rechtslage bezüglich der Anfechtbarkeit in den Fällen, in denen Rechtshandlungen während einer Nachlassstundung vorgenommen worden waren, wenn im Anschluss an die Nachlassstundung planmässig ein Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung abgeschlossen oder – falls der Abschluss eines solchen Vertrags scheitert – der Konkurs eröffnet wird. Dies stellt in der der Praxis eine sanierungsfeindliche Rechtsunsicherheit dar, welche insbesondere auch der neuen Ausrichtung der Nachlassstundung als Sanierungsgefäss mit verlängerten Stundungsfristen zuwiderlief. KGer LU 2K 18 6 E. 5.2

Zweck der Norm: Art. 285 Abs. 3 SchKG bezweckt, den Kreis der anfechtbaren Handlungen einzuschränken. Die neue Regelung soll die Rechtsunsicherheit beseitigen, die zuvor bestanden hatte, wenn ein Rechtsgeschäft vom Nachlassgericht genehmigt worden war, aber dennoch mit einer Anfechtungsklage angefochten werden konnte. Die neue Regelung stellt nun sicher, dass Handlungen, die das zuständige Vollstreckungsorgan genehmigt hat, unanfechtbar bleiben.  KGer LU 2K 18 6 E. 5.2

Grundsatz: Keine Anfechtung bei Genehmigung durch das Nachlassgericht oder den Gläubigerausschuss: Es wird davon ausgegangen, dass das (während der Nachlassstundung getätigte) vom Nachlassrichter oder Gläubigerausschuss genehmigte Rechtsgeschäft (in casu die Veräusserung von 100% der Aktiven an ihrer neu gegründeten Tochtergesellschaft) die Interessen der Gläubiger bestmöglich berücksichtigt. BGE 147 III 226 E. 4.4.1

Vorbehalt bei Nichtigkeit des Genehmigungsentscheids: Nicht ausgeschlossen ist, dass ein Ermächtigungsentscheid an derart schweren inhaltlichen Mängeln leiden kann, welche die Nichtigkeitsfolge nach sich zieht. BGE 147 III 226 E. 3.1.2, E. 4.4.1  (in casu verneinte das Bundesgericht die Nichtigkeit der Genehmigung des Nachlassgerichts)

Ausschluss auch zivilrechtlichen Mängeln des genehmigten Rechtsgeschäfts? Hat das Nachlassgericht einen nach Art. 298 Abs. 2 SchKG ermächtigungsbedürftigen Rechtsgeschäft zugestimmt, so kann dieses nicht mehr angefochten werden (Art. 285 Abs. 3 SchKG). Dies gilt auch für eine Anfechtung infolge Irrtums oder Täuschung nach Art. 31 OR.  KGer LU 2K 18 6 Leitsatz

Kommentar 8: Dem ist zu widersprechen. Es ergibt sich schon aus systematischen Gründen, dass durch Genehmigung eines Rechtsgeschäfts durch das Nachlassgericht einzig die paulianische Anfechtung ausgeschlossen ist.

Die Geltendmachung von zivilrechtlichen Mängeln eines Rechtsgeschäfts (wie etwa fehlender Konsens, Irrtum, Täuschung, Furchterregung, fehlende Rechts- oder Handlungsfähigkeit einer Partei, Nichtbeachtung der notwendigen Form des Rechtsgeschäfts) obliegt einzig dem Zivilgericht in einen Zweiparteienverfahren zwischen dem Schuldner bzw. dessen Insolvenzmasse und dem Erwerber, so dass darüber rechtskräftig und verbindlich entschieden werden kann.

Das Genehmigungsverfahren gemäss Art. 298 Abs. 2 SchKG findet vor dem Nachlassgericht statt. Es handelt sich um Einparteienverfahren ist, an welchem einzig der Schulnder, nicht aber der Erwerber beteiligt ist. Das Verfahren hat vollstreckungsrechtlichem Charakter. Es erzeugt keine zivilrechtlichen Wirkungen.

Was das KGer LU zu seinem Entscheid erwogen hat, kann nicht beurteilt werden, da die Aussage, eine Anfechtung wegen Irrtums oder Täuschung (gemäss Art. 31 OR) sei zufolge des Genehmigungsentscheids des Nachlassgerichts ausgeschlossen, einzig dem Leitsatz entnommen werden kann. In den publizierten Erwägungen findet sich dazu nichts. Es kommt hinzu, dass die Aussage auch nur obiter erfolgte, da auf die Beschwerde schon aus formellen Gründen gar nicht eingetreten werden konnte (die gegen diesen Entscheid geführte Beschwerde ans Bundesgericht befasste sich nur noch mit formellen Fragen; BGer 5A_48/2019).

Handlungen während der Nachlassstundung mit Zustimmung des Sachwalters: Die während der Dauer der Nachlassstundung vorgenommen Handlungen unterliegen auch dann der Anfechtung (Art. 331 Abs. 1 SchKG), wenn der Sachwalter einem Rechtsgeschäft die Zustimmung erteilt hat. BGE 134 III 273 E. 4.4.2. BGer 5A_320/2007 E. 4.4.2. BGer 5A_321/2007 E. 4.4.2.

Kommentar 5: Dies ist im Grundsatz richtig, da Art. 285 Abs. 3 SchKG keine Anwendung findet. Da Verpflichtungen des Nachlassschuldners, welche dieser während der Stundung mit Zustimmung des Sachwalters eingeht, von Gesetzes wegen zu Masseverbindlichkeiten werden (Art. 310 Abs. 2 SchKG,) liegt jedoch (vorbehalten Fälle, da nicht alle Masseverbindlichkeiten vollständig bezahlt werden können) keine Gläubigerschädigung (mehr) vor und es entfällt damit auch eine paulianische Anfechtung.

Abs. 4 

Entstehung: Im Rahmen der im Sommer 2020 verabschiedeten Revision des Aktienrechts (AS 2020 4067) wurde in Art. 285 SchKG ein neuer Abs. 4 eingefügt.

Inkrafttreten: Die Änderung ist per 1. Januar 2023 in Kraft getreten. AS 2022 109

Übergangsrecht: vgl. zu Allgemeines

Gesetzgeberische Absichten: Gemäss Botschaft sollen damit Sanierungshandlungen, namentlich hinsichtlich neuer Darlehen, rasch und ohne Anfechtungsgefahr vorgenommen werden können. Diese Anpassung soll Sanierungsbemühungen in der Nachlassstundung erheblich erleichtern (BBl 2017 465, 633, 668). Die Bestimmung soll jedoch nicht auf (Sanierungs-)Darlehen beschränkt sein, sondern auch Verbindlichkeiten aus anderen Verträgen erfassen, z.B. solche welche für die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes im Hinblick auf die Sanierung unentbehrlich sind, wie etwa Verträge mit Lieferanten (BBl 2017 633).

Kommentar 7: Diese Norm überzeugt aus mehreren Gründen nicht.

(i) Sie scheint (ohne, dass dies im Gesetzestext zum Ausdruck kommen würde) auf Sanierungssituation abzuzielen; darauf deuten auf jeden Fall unzähligen Äusserungen in der Botschaft hin (BBl 2017 464 f., 633 f., 668). M.E. kann es darauf aber unter dem Gesichtswinkel der paulianischen Anfechtung nicht ankommen. Eine Nachlassstundung hat nur selten das Ziel der Sanierung (vgl. Art. 293a Abs. 3, Art. 294 Abs. 1 und Abs. 3, Art. 296a SchKG). In den meisten Fällen mündet die Stundung in eine Generalexekution, sei es, dass ein Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung zustande kommt (Art. 317 ff. SchKG), sei es, dass der Konkurs eröffnet wird (Art. 293a Abs. 3, Art. 294 Abs. 3, Art. 296b, Art. 309 SchKG). In den meisten Fällen, dient die Nachlassstundung dazu, (anstelle eines sofortigen Konkurses) zum Vorteil für die Gläubiger während einer beschränkten (kurzen) Zeit (z.B. während der Dauer der Kündigungsfristen der Arbeistsverhältnisse der privilegierten Arbeitnehmer) das Geschäft herunterzufahren und die Aktiven bestmöglich zu veräussern. Damit ist in den meisten Fällen einer Stundung der Weg das Ziel. Aufgrund dessen ist bereits die Stossrichtung der Norm verfehlt.

(ii) Konzeptionell unglücklich ist, die Eingehung von Verbindlichkeiten von der Anfechtung auszunehmen. Dies stellt nur in ganz seltenen Fällen überhaupt eine anfechtbare Handlung dar. Wenn schon hätte man im Gesetzestext von der Bezahlung solcher Verbindlichkeiten sprechen müssen.

(iii) Unklar ist auch, ob das Wort «andere» in Abs. 4 auf Abs. 3 Bezug nehmen will; wenn dem so wäre, dass wären wohl eher andere «Rechtshandlungen» gemeint.

(iv) Wie in der Botschaft zurecht gesagt wird (BBl 2017 633), stellen Verbindlichkeiten, welche während der Nachlassstundung mit Zustimmung des Sachwalters eingegangen wurden, schon nach geltendem Recht Masseverbindlichkeiten dar (Art. 310 Abs. 2 SchKG). Indem diesen Verbindlichkeiten ex lege das Superprivileg von Masseverbindlichkeiten zukommt, ist eine Anfechtung der Bezahlung nicht bzw. nur in jenen Fällen denkbar, da nicht sämtliche Masseverbindlichkeiten vollständig bezahlt werden können. Insofern ist die Norm nicht notwendig.

Im Ergebnis ist die Norm mehr verwirrlich als klärend; in der Sache ist sie m.E. unnötig.